ALTSTADT. Christine Sommer und Martin Brambach lieferten ein literarisches Finale im „Karstadt-Leerstand“ – und getanzt wurde auch.

Von Stefan Pieper

Vorerst zum letzten Mal wurde es voll im Karstadt-Leerstand mitten in Recklinghausens City. Kaum eine solche Kultur-Spielstätte hat bei sämtlichen Veranstaltungen eine derart sensationelle Auslastung erfahren. Jetzt bestritten Christine Sommer und Martin Brambach sowie eine engagierte Tango-Truppe ein würdiges Finale.

Es geht um die Sinnlichkeit des Frühlings – und dies mit genug einnehmender Bühnenpräsenz, dass es auch die unangenehm kühlen Innentemperaturen schwer hatten, davon abzulenken. Sommer und Brambach laufen sprachlich und darstellerisch vom ersten Moment an zur Höchstform auf. So kennen wir sie! Diesmal gibt es einen hochkomprimierten Mix aus Lyrik, Aphorismen, kürzeren und längeren Geschichten. Martin Walser beschwört das Grün des Frühlings, wie es blendet und glänzt. Aber das setzt auch Lebensweisheit frei: Je länger man lebt, desto intensiver wirkt der Eindruck einer erwachenden Natur. Brambachs lakonisch-lässiger Sprachgestus taugt bestens, damit ironische Überspitzungen genug Würze bekommen: Wenn Erich Kästner davon spricht, dass im Frühling „die Welt frisch gestrichen ist“, markiert dies auch so manch eitle Befindlichkeit, aber vor allem ganz viel Lebenslust.

Aber das ist nur das Vorspiel, dann geht es erst mal facettenreich und gerne frivol um das ewige Spiel von Mann und Frau. Anna Gavaldas Text „Kleine Praktiken aus Saint Germain“ beschreibt einen Flirt, der zur Verführungsgeschichte wird. Fast schmilzt die Angebetete dahin, als der Tiefschlag kommt: Der Gebieter schaut mittendrin auf sein Handy. Wo ist der mit seinen Gedanken wirklich? Der Zauber ist zerstört – und Christine Sommer lässt voller Wut den ganzen gekränkten weiblichen Stolz vom Stapel. Es überrascht eine groteske Geschichte von Kurt Schwitters oder eine Miniatur des „empfindsamen Anarchisten“ Erich Mühsam, der mit wenigen Worten an die Entschlossenheit appelliert, wenn eine Eroberung des anderen Geschlechtes gelingen soll.

Kalt geworden sein dürfte es wohl kaum Maria Giovanna Delle Donne und Stsiapan Hurski, die zwischendurch Tango-Einlagen aufs Parkett legten. Tetiana Muchychkas Akkordeonspiel ergänzte sich dabei feinfühlig mit dem Gitarrenspiel von Dennis Freunde. Dies lieferte den rhythmischen Schwung für die Tanzenden.

Quelle: Lokal Recklinghausen

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